Ausgabe 23 · November 2016

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Leserbriefe

Utopia-Lenker

Zu: Rohloffschaltung und Rennlenker (Ausgabe 22)

Mit großer Freude lese ich regelmäßig die Ausgaben der Fahrradzukunft. Die Mischung aus interessanten Technikbetrachtungen neben üblichen »Mainstream«-Auffassungen und allgemeinen/philosophischen Betrachtungen zum Fahrradalltag finde ich sehr gelungen, unterhaltsam und den eigenen Horizont weitend.

Die Frage nach der optimalen Ansteuerung der Rohloff an einem Rennlenkerfahrrad hat mich vor vier Jahren auch beschäftigt und an unserem Reisetandem ist es letztlich der Utopia-Lenker geworden, den man damals noch in Restbeständen erhalten konnte.

Am Reisetandem bringt der meines Erachtens gleich mehrere Vorteile mit sich:

  1. Die Breite von 50 cm (um 2 cm gekürzt, viel mehr geht auch nicht) wirkt sich vorteilhaft auf das Lenkverhalten aus, besonders mit schwerer Lowriderbeladung. Allerdings ist das kein Lenker für einen flotten Randonneur mit gewohnter Rennlenkersitzposition, sondern eher für ein Rad wo es auf Steuerungskontrolle ankommt.
  2. Durch den Oberlenkerdurchmesser von 22,2 mm konnten wir neben dem Rohloffdrehgriff auch Bremshebel für hydraulische Vierkolbenbremsen (in unserem Fall Avid Code R) montieren - hinsichtlich Bremskraft und - vor allem - Standfestigkeit am schweren Reisetandem nicht zu verachten.
  3. Weil es sich anbot, haben wir noch Bremshebel am Lenkerbogen installiert, mit denen wir zusätzlich V-Bremsen bedienen können. Wenn ein Bremssystem heiß läuft, können wir daher auf das andere wechseln und haben eine höhere Ausfallredundanz.
  4. Der Lenker ist oben noch breit genug um Ergo-Griffe montieren zu können. Ich musste etwas suchen, bis ich welche fand, die sich geeignet bearbeiten ließen (direkt von der Stange passen wohl keine) und von innen her klemmbar sind, aber der Komfort in der Oberlenkerhaltung beim Fahren ist angenehm.

Abschließend noch eine Bemerkung zur Rohbox: Diese Option gab es 2012 noch nicht, heute würde ich diese wohl am ehesten erwägen. Anders als in der Artikelbeschreibung behauptet, sitzt die Rasterung der Speedhub übrigens in der Nabe selbstu, die Schaltbox dient lediglich dazu die Zugkräfte auf den Bowdenzügen in eine Rotation der Stellachse zu übersetzen. Im Gegensatz zur originalen Schaltbox ist es jedoch nicht so, dass das Einziehen des einen Seiles zum Herausziehen des anderen führt, sondern so, dass Zug an dem einen Seil Rotation in die eine und Zug an dem anderen eine Rotation in die andere Richtung bewirkt. Das nicht betätigte Seil bewegt sich nicht. Die Schaltbox ist daher sehr universell und benötigt zur Verwendung im Prinzip nur die Möglichkeit Seil einzuziehen. Sie lässt sich daher z. B. auch mit (Oberlenker-)Bremshebeln oder anderen Schalthebeln/Triggern ansteuern. Wichtig ist wohl nur, dass man eine mögliche Rasterung darin abstellen muss. Bei SRAM geht das wohl oft reversibel, bei Shimano wenn man den STI irreversibel modifiziert.

Samuel Littig, Köln

Relativierung

Zu: NuVinci und andere – Wirkungsgrad-Messungen an Nabenschaltungen – Teil 2 (Ausgabe 17)

Zu: Leserbriefe (Ausgabe 22)

Nur Singlespeed? Ich bin immer wieder perplex, mit welch geradezu sektiererischem, apothekerhaftem Eifer über das Gewicht einzelner Fahrradkomponenten gestritten wird. Entscheidend ist doch das Gesamtsystem Mensch-Fahrrad. Geht man davon aus, dass ein alltagtauglich ausgerüstetes, solides Fahrrad um die 15 kg, ein durchschnittlicher Fahrrad fahrender Mensch um die 75 kg und das, was er auf dem Fahrrad mitführt, nochmals 10 kg wiegen, kommt man auf ein Systemgewicht von 100 kg. Da spielt doch auch das »wahnsinnige« Mehrgewicht einer Rohloff-Nabe von 1,5 kg = 1,5 % des Systemgewichts im Vergleich zum Anteil des Menschen mit 75 kg = 75 % wirklich eine untergeordnete Rolle. Das heißt, am wirksamsten setzt man bei der Reduktion des Gesamtgewichts des Systems Mensch-Fahrrad beim Menschen an. Der Ansatz dazu ist ein einfacher und mit dem gesunden Menschenverstand nachvollziehbarer. Macht das Fahrradfahren wirklich Spass, fährt man öfter und weiter, verbraucht entsprechend mehr »Hüftgold-Diesel« und reduziert damit das Gewicht der schwersten Komponente Mensch.

Gut dann kommt noch der leicht schlechtere Wirkungsgrad einer Nabenschaltung hinzu. Aber rechtfertigt das, auf die Segnungen zeitgemässer Fahrradtechnik zu verzichten und sich bzw. seinen Kniegelenken ein Singlespeed-Fahrrad anzutun? Ein Grundprinzip der Ingenieurskunst ist es doch, mit dem Einsatz möglichst weniger Mittel eine maximale Wirkung zu erzielen und da ist die mit einem Fahrrad erziehbare Mobilität einfach wahnsinnig energieeffizient. Aber diese Effizienz wird nur genutzt, wenn sie auch Spass macht und alltagstauglich ist. Alltagstauglich heisst für mich u.a., dass ich auch mit einem Fahrrad, das mit einem großen Einkauf in drei Körben mit zusammen 48 Litern Inhalt und meiner schwergewichtigen Wenigkeit beladen ist, ohne knackende Knie anfahren kann. Das geht nur mit einer guten, auch im Stand in den untersten Gang schaltbaren Nabenschaltung. Auch schon eine nicht im Stand schaltbare Kettenschaltung taugt da nichts. Mit der müsste man bei einem zu hohen Gang im »Tretrollermodus« anfahren - nicht alltagstauglich! Sich so etwas mit einem Singlespeed-Fahrrad zuzumuten fällt meiner Meinung nach unter Kategorie Alltags-Masochismus. Das Wörtchen »nur« in dem Singlespeed-Naben befürwortenden Leserbrief hat deshalb für mich etwas Abstossend-Sektiererisches in sich, etwa in der Art von »nur« vegane Ernährung ist gesund und ethisch verantwortbar und das missfällt mir als »eingefleischtem« Vegetarier.

Gut, ich bin mit meinem 22 kg schweren Liegetrike und meinem leider in der Familie liegenden reichlichen Vorrat an »Hüftgold-Diesel« ein etwas besonderer Fall. Ich habe für das Hinterrad meines aktuellen, im September 2011 gekauften Gekko fx-Liegetrikes von HP Velotechnik in vollem Wissen um das recht hohe Gewicht und den etwas schlechteren Wirkungsgrad eine stufenlose NuVinci N360 Nabenschaltung gewählt. Um den Anforderungen eines Liegetrikes nach einer besonders großen Bandbreite der Entfaltung für langsames Hochkurbel an Steigungen und schnelles Fahren in der Ebene gerecht zu werden, ist vorne am Tretlager noch eine mit den Absätzen zu schaltende Schlumpf HighSpeedDrive-Zweigangschaltung eingebaut. So komme ich auf eine Bandbreite von 900% zwischen der kleinsten und der größten Entfaltung. Der Fahrkomfort und die Möglichkeiten dieser Kombination von Schaltungen sind eine wahre Freude und zentral für den Fahrspass mit meinem Liegetrike. Das höhere Gewicht dieser Schaltungen und der geringere Wirkungsgrad hingegen ist für mich vergleichsweise bedeutungslos und der entsprechend leicht erhöhte Verbrauch an »Hüftgold-Diesel« sogar ein eher erwünschter Nebeneffekt. Wichtig ist doch, dass ich einen ganzen Tag mit meinem Liegetrike unterwegs sein und meinen Spaß haben kann, ohne dass mich am Abend etwas schmerzt. Damit bin ich auf meine Façon selig, was dem Alten Fritz gefallen würde.

Eduard J. Belser, Egerkingen (CH)