Ausgabe 24 · April 2017
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Tobis Fahrradgeschichten
Bis jetzt hat es doch funktioniert!
In einer Fahrradwerkstatt wird man manchmal angeregt, über Logik nachzudenken. »Bis jetzt hat es doch funktioniert!«, antworten manche Kundinnen und Kunden, wenn ich ihnen sage, was an ihrem Fahrrad alles ausgetauscht werden muss und wie viel es in etwa kosten wird. In der Regel handelt es sich um Fahrräder mit Kettenschaltung, die viel zu lange keine Werkstatt gesehen haben. Der Verschleiß ist dann so weit fortgeschritten, dass die Kette über die Zahnräder springt, wenn man kräftiger in die Pedale tritt, einen Berg hochfahren will oder schon beim Anfahren.

Von: Olaf Schultz
Bei so weit fortgeschrittenem Wartungs- und Reparaturstau lässt sich nicht mehr nur ein einzelnes Teil austauschen um das Problem zu beheben, da beispielsweise eine neue Kette auf verschlissenen Zahnrädern nicht funktioniert. Bei einem älteren Rad nenne ich das »GAU« (»Größter anzugehender Umbau«). Getoppt wird das noch vom »Super-GAU«, bei dem mangels passender neuer Kurbelgarnitur auch noch das Tretlager getauscht werden muss.
»Bis jetzt hat es doch funktioniert!« Manchmal wird mit dieser Aussage meine Diagnose und Fachkenntnis angezweifelt. Manchmal ist es nur ungläubiges Staunen, dass sich bewegende Teile einem Verschleiß unterliegen.
Zum einen kenne ich es in der Regel so, dass alles, was einmal kaputt
geht, vorher funktioniert hat. Ansonsten wäre es ja von Anfang an kaputt
gewesen. »Schon Kaputtes« kann per Definition nicht »kaputt gehen«. Und
dann finde ich es durchaus logisch, dass sich bewegende Teile einem
gewissen Verschleiß unterliegen, zumal wenn sie mit anderen festen
Materialien in ständigem Kontakt kommen. Das finden nicht alle. In meinem
ersten Fahrradladen kam einmal ein Kunde in den Laden und wollte von einem
meiner damaligen drei Chefs einen Reifen umgetauscht bekommen: »Vor fünf
Jahren haben Sie mir gesagt, der Reifen hält ewig. Ich fahre jeden Tag
bestimmt

Von: Andreas Oehler
Aber man muss vorsichtig sein, was man als Verkaufender sagt. Es wird oft
anders verstanden als es gemeint ist. Die »lebenslängliche Garantie« eines
US-amerikanischen Herstellers auf seine Alurahmen bedeute 20 oder
»Und sie sägten an den Ästen, auf denen sie saßen und schrien sich ihre Erfahrungen zu, wie man besser sägen könne. Und fuhren mit Krachen in die Tiefe. Und die ihnen zusahen beim Sägen schüttelten die Köpfe und sägten kräftig weiter.«
Zum Autor
Tobias
Kröll, Jahrgang 67, Fahrradmechaniker und Sozialwissenschaftler,
betreibt einen
kleinen Fahrradladen in
Tübingen. Daneben engagiert er sich für einen sozialökologischen Umbau
der Gesellschaft und ist Mitglied im
Institut Solidarische Moderne.