Ausgabe 3 · November 2006

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Umhängetasche selbst gebaut

von Michael Buege

Warum eigentlich?

Warum selber bauen, es gibt doch nun wirklich genug Hersteller und Modelle in allen Preisklassen, da sollte doch etwas dabei sein? Zweifellos richtig, aber wie das so ist, die eine Tasche ist zu klein, die zweite hat Fächer da, wo man sie nicht braucht und die dritte ist ganz einfach umständlich zu öffnen und zu schließen. Was liegt näher, als es einmal selber zu versuchen, so schwer kann das ja nicht sein. Na gut, ein paar Vorraussetzungen sollten schon gegeben sein.

Woraus?

Da ist zum Einen das Material. Ich verwende für den Grundkörper PVC-Tuch. Dieses Material wird zum Beispiel für LKW-Planen verwendet. Es ist sehr robust, wasserdicht, relativ leicht zu verarbeiten und in vielen Farben und Qualitäten verfügbar. Bedruckte Planen aus diesem Tuch, seien es Werbeplanen, LKW-Beschriftungen oder Musterdrucke bieten eine Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten.

Bild 1: Bedrucktes PVC

Woher?

Am besten von Zeltbaufirmen, Segelmachereinen, Herstellern von LKW-Planen oder Firmen, die das Bedrucken von Werbeplanen anbieten. Einfach mal fragen, ob man eventuell mal in der Restekiste stöbern darf oder ob irgendwelche Fehldrucke Platz wegnehmen.
Weniger Probleme bereitet die Beschaffung von Gurten und Schnallen. Der einschlägige Outdoor-Fachhandel bietet ein reichhaltiges Sortiment an Ersatzteilen und Materialien in verschiedenen Dimensionen und Ausführungen. Eine andere Quelle sind alte Reisetaschen, Rucksäcke und so weiter.

Womit?

Das Hauptproblem für Selberbauer ist, dass sie in den allermeisten Fällen keinen ungehinderten Zugang zu Nähmaschinen haben, die PVC-Tuch problemlos und sauber verarbeiten können. Haushaltnähmaschinen eignen sich nur bedingt. Spätestens bei mehr als drei Lagen, Einfassungen mit Fahrradschlauch und Klettverschluss ist ein sauberes Arbeiten damit nicht mehr möglich. Und selbst bei großen Nähmaschinen eignet sich nicht jede für alles. Alte, einfache Geräte zeigen hier oft klare Vorteile gegenüber manch einem modernen Alleskönner. Aber Segelmacher sind im Allgemeinen umgängliche Leute, die selber gerne basteln. Und wenn man höflich um Hilfe bittet, einen nicht zu komplizierten, sauberen und maßhaltigen Zuschnitt bereithält und nicht mit Lob und Bewunderung für dieses seltene Handwerk spart, ist schon viel gewonnen.

… und wie?

Wie soll meine Tasche aussehen, wie soll sie funktionieren, wie groß soll sie sein, und wie will ich sie tragen?

Fangen wir mit der Trageweise an. Da hat bekanntlich jeder seine individuellen Vorlieben.

Meinen Rucksack verwende ich, wenn ich schwerere Sachen über einen längeren Zeitraum transportieren möchte. Die Last ist gleichmäßig auf beide Schultern verteilt und es rutscht nix. Man muss allerdings zum Beschicken jedes Mal den kompletten Rucksack abnehmen

Bild 2: Rucksack
Bild 3: Details des Rucksacks

Im tagtäglichen Gebrauch verwende daher ich eine Umhängetasche. Zwar erlaubt sie nicht so viel Zuladung wie ein Rucksack, ist aber in der Handhabung flexibler. Brustgurt lösen, Tasche nach vorne ziehen, Tasche aufreißen, Sachen raus oder rein, Tasche zu, nach hinten werfen, Brustgurt einklicken, fertig. Wenn man viel in der Stadt unterwegs ist und sehr oft auch kurz hintereinander an und in seine Tasche muss, werden die Vorteile dieser Bauform deutlich.

Bild 4: Umhängetasche
Bild 5: Die grosse Tasche für die Fahrt zum Waschsalon
Bild 6: Die kleine Tasche für die Bibliothek

Die Größe der Tasche hängt maßgeblich davon ab, was man in ihr transportieren will. Entweder man baut sich für verschiedene Zwecke verschiedene Taschen, oder man findet den richtigen Kompromiss. Als Orientierungshilfe dienen hier die Behältnisse, mit denen man bisher seine Dinge transportiert hat.

Worauf achten?

Die Grundfunktion einer Tasche ist sehr schnell beschrieben. Man möchte darin verschiedene Dinge sauber, trocken und sicher transportieren. Ach ja, und man will die Dinge, die man hinein getan hat, möglichst schnell darin wieder finden. Deswegen verzichte ich auf zu viele Nebenfächer und Unterteilungen. Überhaupt habe ich immer versucht, die Konstrukte möglichst einfach und unkompliziert in Herstellung und Handhabung zu gestalten. Weniger ist auch hier, wie so oft, mehr.

Selbstgebaute Taschen haben gegenüber professionell gefertigten Kuriertaschen zum Beispiel einen entscheidenden Nachteil. Da sie genäht sind, sind sie natürlich nicht absolut wasserdicht. Dazu müssten sie hochfrequent verschweißt sein. In der Praxis habe ich aber in noch keiner selbstgenähten Tasche Feuchtigkeit, verursacht durch Regen, feststellen müssen.

Zum Verschließen der Taschen hat sich breites Klettband als zweckmäßig erwiesen. Neben einer leichten Verarbeitung bietet es höchste Flexibilität, da beide Elemente (Klett und Flausch) bei ausreichender Breite in jeder Lage zueinander eine ausreichend feste Verbindung eingehen.

Bei der Gestaltung der Tasche in Bezug auf Farbe oder Cover ist nur der eigene Anspruch und Zweck das Limit. Die Verwendung von PVC bietet sogar die Möglichkeit, die Abdeckung bei Bedarf auszutauschen. Denkbar ist auch die Verwendung von durchsichtigem Material, um dahinter Werbezettel oder Ähnliches einzuschieben.

… na dann los!

Die Zeichnung gibt die Masse für eine recht grosse Tasche wieder. Natuerlich kann der Zuschnitt individuell angepasst werde, es soll hier nur eine Anregung gegeben werden.

Bild 7: Zuschnitt

Die Seitenteile sollten im Bereich der Gurtbefestigung nicht sehr viel breiter als das Gurtband sein. Dies gewährleistet einen sauberen Knick und Fall der Abdeckung. Um jedoch etwas Volumen in die Konstruktion zu bringen, werden die Seitenteile nach unten hin breiter. Gleichzeitig sind das Vorder- und Hinterteil unten schmaler. So ergibt sich am Taschenboden und an der Öffnung jeweils der gleiche Umfang. Der Zuschnitt des Rucksackes ist da einfacher, hier kann man einfache, rechteckige Formen verwenden. Prinzipiell ist aber der Aufbau gleich.

Der abgebildete Zuschnitt ist für eine asymetrisch geschnittene Tasche gedacht, weicht also von der Zeichnung ab.

Bild 8: Zuschnittmaterial

Vorderteil, Boden, Rückenteil und Deckel sind aus einem Stück, wobei man dieses Hauptteil natürlich aus mehreren Elementen gestalten kann. Dies gilt insbesondere für den Deckel. Dieser wird einfach mittels einer Flachnaht an den Rest des Korpers angenäht.

Bild 9: Nähen des Deckels

Die Seitenteile werden entsprechend den Zeichnungen ausgeschnitten. Generell erforderlich ist eine Zugabe von ca. 1cm für die Naht.

Bevor die Seitenteile mit dem Hauptteil verbunden werden, müssen auf das Vorderteil der Tasche die Klettverschlüsse und vorgesehene Zusatzfächer aufgebracht werden.
Ein nachträgliches Anbringen von Elementen in diesen Bereich ist zwar prinzipiell möglich, gestaltet sich beim Nähen aber außerordentlich schwierig.
Vorsicht bei selbstklebenden Klettverschlüssen, nicht jeder Nadel oder Maschine machen die Anhaftungen des Klebers nichts aus. Die Streifen müssen genäht sein, ein bloßes Aufkleben reicht nicht.

Bild 10: Vorderteil

Die Tasche für das Bügelschloss ist innen mit einem glatten Netzgewebe ausgefüttert, das Schloss rutscht so besser raus und wieder rein.

Bild 11: Netzgewebe

Nachdem alles vorbereitet ist, können Haupt- und Seitenteile auf links zusammengenäht werden. Danach alles umdrehen und man hat schonmal einen ersten Eindruck von seinem Werk.

Bild 12: Erster Eindruck

Der Deckel und die sich anschließende Öffnung werden mit Fahrradschlauch eingefasst. Ich verwende Rennradschläuche, die muss man nur aufschneiden, dann haben sie die richtige Breite. Achtung, sogenannte »Light«-Ware neigt leicht zu Faltenwurf, normale Ware liegt besser und gibt bessere Form. Beim Nähen den Schlauch leicht auf Spannung halten, er schmiegt sich so auch an Rundungen. Man kann den Deckel und die Oberkante der Vorderseite getrennt oder auch in einem Zug einfassen.

Bild 13: Fahrradschlauch

Das Klettband auf der Innenseite des Deckels muss so positioniert werden, dass es auch noch Kontakt zu seinem Gegenstück hat, wenn die Tasche prall gefüllt ist. Hier muss man durch experimentieren die optimalste Stelle finden. Als praktisch hat sich dabei erwiesen, den Klettverschluss nicht direkt auf den Deckel zu nähen, sondern erst auf PVC-Streifen. Diese werden anschliessend auf die Unterseite aufgeschweisst. Vorsicht, die Oberfläche des Flausch- wie auch des Klettbandes verschmoren sehr schnell und büssen so ihre Funktion ein. Bevor man die Streifen in der entgültigen Position festschweisst, sollte man sie nur leicht anheften und dann kontrollieren, ob die Tasche in jedem Beladungszustand sicher schliesst. Bei Bedarf können dadurch die Streifen wieder abgezogen und neu positioniert werden. Ausserdem gibt es auf der Oberseite des Deckels keine Nähte, die das Design stören könnten.

Bild 14: Innenseite

Zum Schluss noch die Gurte befestigen und die Schnallen entsprechend einfädeln.

Bild 15: Gurt

Vorher sollte man sich darüber klar sein, über welche Schulter man die Tasche tragen will.
Man kann die Gurte annähen oder anschrauben, wobei eine Schraubverbindung ebenso haltbar ist, jedoch leichter lösbar und damit korrigierbar. Der Befestigungspunkt oben auf der Schulter sollte, wenn möglich, »um die Ecke« auf dem Rückenteil liegen. Der Gurt liegt dadurch flacher am Körper. Der Brustgurt verläuft diagonal vom Tragegurt bis zur gegenüberliegenden Ecke am Boden und sollte verstellbar sein.
Erfahrungsgemäss ist ein möglichst breiter Gurt besser. Ich habe mich für 50mm Gurtmaterial aus dem Sortiment von Globetrotter entschieden. Der Brustgurt ist 20mm breit und stammt, wie auch alle Schnallen und Ringe, ebenfalls aus dieser Quelle.
Man kann aber auch, wie gesagt, auf Reste von alten Taschen und Rucksäcken zurückgreifen.

Rucksack

Für den Rucksack habe ich ein Tragegestell von Ortlieb verwendet. Es wird oben mittels einer 5mm-Rundstange (aus Carbon, gibt es im Bastelladen) an entsprechende Laschen am Rucksackkörper befestigt. Die Trageriemen werden umgedreht eingefädelt und unten angeschraubt. So kann man bei Bedarf das Tragegestell ohne Probleme wieder seinem Orginalzweck zuführen

Bild 16: Tragegestell

Zum Autor

Michael Buege arbeitet bei einer Hamburger Grosshandelsfirma mit angeschlossener Segelmacher- und Planenwerkstatt. Mit seinen Taschen erledigt er den grössten Teil seiner anfallenden Transportangelegenheiten. Er besitzt kein Auto und verbringt auf dem Rennrad neben den ca. 250 Wochenkilometern im Hamburger Stadtverkehr auch einen grossen Teil seiner Freizeit im Dreieck Hamburg-Lübeck-Schwerin.