Ausgabe 1 · April 2006

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Warum Blinkis Mist sind

Rainer Mai

Blinkis sind doch eigentlich eine tolle Sache: Klein, leicht, billig, kein Strippensalat, (meistens) lange Brenndauer, (manchmal) sogar wasserdicht – und vor allem sehr auffällig. Was will man mehr?

Diese Eigenschaften verführen viele dazu, die vorschriftsmäßige Dynamobeleuchtung ganz stillzulegen und nachts nur noch blinkend zu fahren – hinten rot, manche sogar (statt eines Scheinwerfers) vorne weiß blinkend.

Vorteil: Auffälligkeit

Gegenüber nicht blinkenden Batterielampen haben blinkende nur einen wirklichen Vorteil: Sie sind auffälliger. Dem stehen aber ein paar klitzekleine Nachteile des Blinkens gegenüber …

Nachteil 1: Ortung im Verkehr

Die Standard-Verkehrssituation: Ein Auto nähert sich von hinten. Anforderung ans Rücklicht: Der Autofahrer soll erkennen, dass da ein Fahrzeug ist. Aber das nutzt nur, wenn er auch jederzeit wahrnehmen kann, wo genau es gerade ist, wohin es sich relativ (z. B. seitlich) bewegt und was es überhaupt ist, z. B. wie breit.

Mit einem konstant leuchtenden Rücklicht ist das problemlos möglich. Bei einem blinkenden Rücklicht wird es viel schwieriger, das Fahrrad und seine Bewegungsrichtung zu orten. Außerdem strengt die Blitzerei den Betrachter an, was Aufmerksamkeit bindet, die der Autofahrer besser in die Beobachtung der Verkehrssituation investiert hätte.

Die Verwirrung des Überholenden oder hinterher fahrenden Autofahrers dürfte der Sicherheit des Blinki-Users abträglich sein: Das Zusatzrisiko, über den Haufen gesemmelt zu werden, weil man doch woanders, etwa weiter links, war als die Disco-Flash-Illusion vorgaukelte, oder weil der Autler durch die Blinkablenkung einen anderen Verkehrsteilnehmer zu spät bemerkt, dem er nun in Richtung Fahrrad ausweicht, kann ich nicht einschätzen – aber ich denke, es existiert. Ich stütze mich hier nur auf meine subjektive Wahrnehmung (passend, weil Sehen eben kein objektiver Vorgang ist). Mit diesen Beobachtungen bin ich aber nicht allein. Wer mal nach Forschungsergebnissen zur Wahrnehmung zeitlich unterbrochener Bilder gräbt, Stichworte etwa Wechselblindheit oder sakkadisches Sehen …

Nachteil 2: Radfahrernerven

Hinterher fahrende Radfahrer können von Rücklichtern mehr oder weniger abgelenkt bis geblendet werden – je dunkler die Umgebung, umso mehr. Und natürlich abhängig von der Lichtbündelung und Ausrichtung der Leuchte. Aber es gibt einen wesentlicheren Aspekt: Leuchtet sie bloß oder blinkt sie?

Einem Blinki hinterherzufahren geht mir schon im lichtdurchfluteten Großstadtverkehr auf den Wecker. Auf einer unbeleuchteten Landstraße, wenn es darum geht, mit dem vom Gesetzgeber leider vorgeschriebenen Nothilfslämpchen (vulgo Fahrradscheinwerfer) u. a. Schlaglöcher rechtzeitig zu sehen, ist es noch schlimmer: ins-Dunkel-starr-BLINK-schwarz-BLINKschwarz-BLINK, da bleibt für mich (46 Jahre, Brillenträger, bin aber noch weit weg von nachtblind) nur viel Nerv und wenig Sehen.

Spätestens dann fange ich an zu nörgeln. Nachhaltig, bis der Belästiger seine Nervquelle endlich auf Dauerlicht umstellt. Ich bin berüchtigt dafür ;o)

Die Krönung ist das Blinki im Wald. Erstaunlich viele Zeitgenossen meinen auf für Kfz gesperrten Wegen ein Rücklicht zu brauchen – und viele auch ein blind-BLINK-blind-BLINK … harggnnn!

Nachteil 3: Illegalität

Blinkis sind in Deutschland illegal.

In der StVZO ist das noch sehr indirekt festgelegt: Es dürfen nur zugelassene Leuchten (Prüfzeichen: Wellenlinie + K + Nummer) benutzt werden. In einer der »Technischen Anforderungen« (TA) steht der Satz: »Blinkende Scheinwerfer und Schlussleuchten an Fahrrädern sind unzulässig.« Blinkis sind also grundsätzlich nicht zulassungs-(Prüfzeichen-)fähig. Allerdings sind die TAen elitäres Geheimwissen, an das offenbar normalerweise nur rankommt, wer behauptet, Leuchten herstellen zu wollen und ein Heidengeld für den dünnen Papierstapel hinlegt.

In Zukunft soll dieser Satz in der für alle zugänglichen StVZO stehen und wird damit öffentlich. Jedenfalls steht er schon seit 1998 im Entwurf für die ewige Novelle.

Der Durchschnittspolizist weiß das evtl. nicht, und wenn, freut er sich wohl eher, dass an einem Rad überhaupt mal was leuchtet. Aber nach einem Unfall kann das schnell ganz anders aussehen … was für die Verwendung eines Prüfzeichen-Rücklichts spricht.

Zum Schluss noch ein Wort zu der heftig zugenommenen Verbreitung blinkender weißer Schwachlicht-Positionslämpchen am Lenker: Wer so blind fährt, muss wissen, was er tut.

Zum Autor

Rainer Mai ist Fahrrad-Sachverständiger in Frankfurt am Main, Maschinenbauingenieur, Alltags- und Reiseradler, Mitgründer und Betreuer einer Selbsthilfewerkstatt, Mitinitiator der »AG Verflixtes Schutzblech«.